Franz Kett   

Stichpunkte dieser Pädagogik
Sie setzt sich zum Ziel, einen ganzheitlichen, sinnorientierten Weg von Erziehung und Bildung aufzugreifen. Damit wird deutlich, dass sie in ihrer Intention nicht als Religionspädagogik im klassischen Sinne zu verstehen ist, sondern vielmehr als ein reformpädagogischer Ansatz, bei dem die Ausbildung der religiösen Dimension des Menschen freilich Kernstück ist. Ihre besonderen Schwerpunkte gilt es kurz anzuführen.

Eine DASEINSPÄDAGOGIK

Von einem existenzanalytischen Ansatz ausgehend wird Leben als Gegebenheit, Gabe und Aufgabe verstanden. Daraus entwickelt sich als erste Aufgabe, das Kind in seinem Dasein zu bestärken. Das JA zum eigenen Dasein wird als Grundkompetenz für die eigene Personwerdung gesehen. Eine entsprechende Lebenseinstellung lässt sich mit den Worten beschreiben:
„Es ist nicht immer leicht, dazusein, aber es ist gut, dass es mich gibt!“
Es werden in der Praxis Themen aufgegriffen, in denen das eigene Dasein als Sinn aufscheint, zur Daseinsfreude angestiftet und zu einer bejahenden Lebenseinstellung ermutigt wird.

Eine BEZIEHUNGSPÄDAGOGIK
Das eigene Dasein wird als ein Eingebundensein in die Welt gesehen. Es vollzieht sich als „IN DER WELT SEIN“ und in der „BEGEGNUNG MIT DER WELT“. Die Welt wird dabei in Außen- und Innenwelt unterschieden. Mit Außenwelt sind die Umwelt (Natur – Kultur) und die Mitwelt (Ursprungsfamilie bis hin zur Völkergemeinschaft) gemeint. Die Innenwelt bin ICH selbst. SIe liegt in meiner Person.
In Begegnung mit dieser Welt in mehrfachem Sinn werde ich.
Die Begegnung selbst vollzieht sich als

  • objektivierendes Erkennen
  • tätiges Handeln oder Umgehen
  • achtsames, wertschätzendes Handeln

Martin Buber spricht in diesem Zusammenhang bei den beiden ersten Begegnungsweisen von einer „ICH – ES – Beziehung“. Die dritte Begegnungsweise nennt er „ICH – DU – Beziehung“. Sein Urteil dazu lautet:
„Ohne „ICH – ES – Beziehung“ vermag der Mensch nicht zu überleben. Ohne „ICH – DU – Beziehung“ wird er nicht Mensch.“
Aufgabe dieser Pädgogik als "ganzheitliche Pädagogik" ist es, alle genannten Beziehungsweisen zu fördern. Sie hält eine Befähigung zu einem achtsamen, schauenden, liebenden Umgang mit der Welt in unserer Zeit als besonders dringlich. Methodisch, didaktisch geplante Weltbegegnungen nennt sie ANSCHAUUNGEN.
Eine besondere Bedeutung misst diese Pädagogik der Beziehung zur Mitwelt bei. Sie beschreibt den Grundakt zwischenmenschlicher Beziehung als ANSEHEN, EMPFANGEN UND GEBEN. Sie versucht in zahlreichen Übungen zum verantwortlichen, fürsorglichen Umgang miteinander zu erziehen. Sie sieht in einem achtsamen, wertschätzenden Miteinander die Voraussetzung, um tiefere Dimensionen der Wirklichkeit zu erkennen und schließlich von einem letzten Sinn- und Seinsgrund, von einem Gott, der Liebe ist, zu reden.

Eine PÄDAGOGIK zur SELBSTVERWIRKLICHUNG
Es geht hier um die Erkenntnis der eigenen Innenwelt, um den Umgang mit ihr, um den Akt der Selbstverwirklichung oder besser der Selbstverwesentlichung. Voraussetzung ist die Annahme eines alles umfassenden Sinnganzen, in dem jeder einzelne eingebunden ist, von dem her er in seiner Existenz Sinn empfängt und innerhalb dessen er werden soll, als der er zu werden hat.
Von der Innenwelt wird in einer eigenen Sprache erzählt. Es ist die Sprache der Symbole und Zeichen.
Dinge, Vorgänge der Außenwelt werden zu Metaphern der Innenwelt. Die Märchen vermitteln in ihrer Bildsprache Lebensweisung und Lebenswissen. Die biblischen Geschichten bedienen sich gleichfalls dieser Sprache und erzählen von unserem Dasein vor Gott und unserem Menschwerden in seinem Sinne.
Pädagogische Aufgabe ist es, diese Sprache und Impulse zur Selbstfindung und Selbstverwesentlichung zu vermitteln. Als Weg dazu eignet sich vorzüglich, was mit „SYMBOLISIERENDES HANDELN UND GESTALTEN“ beschrieben wird. Intention ist dabei auf ganzheitliche Weise, im Dreiklang von VERSPRACHLICHUNG, VERBILDLICHUNG und VERLEIBLICHUNG zu vermitteln, was Menschsein heißt und wie an dessen Verwirklichung gearbeitet werden kann. Über die Bodenbildgestaltung - fälschlicherweise als „Tücherlegemethode“ bezeichnet – hat sie einen Weg gefunden, auf dem geschieht, was E. Pounds folgender Maßen beschreibt:
„Ein Bild vermag einen emotionalen und geistigen Zusammenhang in einem einzigen Augenblick zu repräsentieren“ (Literary Essays, S.4 – Hrsg. von T.S.Elliot, London 1954)

Eine christliche PÄDAGOGIK
„Religiöse Erziehung als Teilgebiet muss immer problematischer werden; aber ein Ganzes ist Erziehung nur, wenn sie als Ganzes religiös ist.“ (Martin Buber)
In der Darstellung der Pädagogik als Daseins – Beziehungs – Selbstverwirklichungspädagogik wird ersichtlich, dass alles erzieherische Bemühen stets auf einen Blick mit einem letzten Sinn- und Seinsgrund, mit einem überschreiten hinein in die Transzendenz verknüpft ist. Dieses Letzte, Höchste, Tiefste – wir nennen es GOTT – wird in einem, dem Alter des Kindes entsprechenden Bedenken (Kinderphilosophie – Kindertheologie) Gegenstand des Erkennens. Über Schauen wird dieses Letzte zu einem Anliegen des Herzens. Schauen können bedarf der besonderen Pflege. „ANSCHAUUNG“ ist ein Schlüsselbegriff dieser Pädagogik. In ihrer Bezogenheit auf Transzendentes ist sie eine mystagogische Pädagogik. Darum geht es ihr im Prozess der Selbstwerdung um Verwesentlichung.
„Die christliche Botschaft, die an den Menschen herangetragen werden soll…ist nicht das Herantragen eines Fremden und der Äußeren, sondern die Erweckung und Interpretation des Innersten im Menschen, der letzten Tiefe seiner Dimension.“
(Karl Rahner; Die Theologische Dimension der Frage nach dem Menschen. In: Ders., Schriften zur Theologie XII; Einsiedeln 1975, 402f)


aktualisiert am: 30 Oktober, 2009